Jahresergebnisse 2016
„Sulzer erwies sich in einem anspruchsvollen Marktumfeld als widerstandsfähig“
Sulzer kann auf eine über 180-jährige und ereignisreiche Unternehmensgeschichte zurückblicken. Wofür steht die Marke Sulzer heute?
Peter Löscher | Sulzer ist eine Ikone der Schweizer Industriegeschichte. Seit seiner Gründung vor 183 Jahren hat das Unternehmen erhebliche Veränderungen durchlaufen. Was mich besonders beeindruckt: Wann immer Sulzer einer Herausforderung am Markt gegenüberstand, konnte sich das Unternehmen neu erfinden und ging gestärkt aus dieser Phase hervor.
Greg Poux-Guillaume | Unsere Marke ist sehr stark. Sie verkörpert Ingenieurskompetenz sowie hochwertige Produkte und Lösungen. Und sie steht für Innovation. Unsere Mitarbeitenden sind echte Experten auf ihrem Gebiet und haben eine Passion für ihre Tätigkeit. Wir setzen uns höchste Qualitätsansprüche in allem, was wir tun. Vor allem wollen wir ein zuverlässiger, schneller und vertrauenswürdiger Partner für unsere Kunden sein.
Herr Poux-Guillaume, Sie sind seit über einem Jahr CEO. Können Sie eine Bilanz ziehen? Was war Ihr persönliches Highlight des Jahres 2016?
GPG | 2016 war für uns sicherlich ein Jahr des Wandels. Sulzer ist ein grossartiges Unternehmen mit hochwertigen Produkten und Services und talentierten Mitarbeitenden. Ich bin sehr stolz, Teil dieses Unternehmens und dieses Managementteams zu sein. Unser Ziel ist es, Sulzer in seinen Geschäftsfeldern zu einem nachhaltigen Marktführer zu machen. Letztes Jahr haben wir in dieser Hinsicht gute Fortschritte gemacht.
Es war allerdings auch ein anspruchsvolles Jahr. Das Marktumfeld in der Öl- und Gasindustrie – darauf entfällt die Hälfte unseres Geschäfts – bleibt sehr herausfordernd. Wir mussten einige schwierige, aber unvermeidliche Massnahmen ergreifen, um das Unternehmen zu verkleinern und neu zu positionieren. Rückblickend war es toll für mich, zu sehen, dass Sulzer einem komplexen Marktumfeld mit viel Gegenwind trotzen konnte. Ich glaube an die Zukunft von Sulzer und freue mich, das Team bei der Gestaltung dieser Zukunft führen zu dürfen.
Greg Poux-Guillaume, CEO
„Unser Aftermarket-Geschäft ist robuster und hat tendenziell höhere Margen als das Geschäft mit neuem Equipment. Bei Sulzer gibt es ein grosses Potenzial für den Ausbau des Servicegeschäfts, was spannend ist.“
Das Serviceangebot von Sulzer wächst. Wie wichtig ist das Servicegeschäft für Sie?
GPG | Der Serviceanteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Wir erzielen derzeit rund 50 % unseres Umsatzes mit dem Aftermarket-Geschäft (Service, Ersatzteile und Retrofits). Das Service- und Ersatzteilgeschäft ist im aktuellen Marktumfeld robuster und hat tendenziell eher höhere Margen als das Geschäft mit neuem Equipment. Also ja, das Servicegeschäft ist sehr wichtig für uns und spielt daher eine bedeutende Rolle in unseren strategischen Überlegungen.
PL | Das Servicegeschäft wird immer umkämpfter, zumal die Nachfrage nach neuen Anlagen sinkt. Traditionelle Produktionsunternehmen wissen um den immensen Wert von Aftermarket-Services, wie zum Beispiel von Wartungen und Reparaturen oder langfristigen Servicevereinbarungen. Und die Kunden wünschen sich das volle Paket: Servicepartner, die schnell und zuverlässig sind, wettbewerbsfähige Preise bieten und innovativ sind. Sulzer bietet all dies und noch mehr.
Wie steht es um die Performance von Sulzer im abgelaufenen Geschäftsjahr? Haben Sie 2016 Ihre Ziele erreicht?
GPG | Wir haben uns in einem sehr schwierigen Jahr gut geschlagen. Unser Bestellungseingang ist auf CHF 2,8 Milliarden gesunken – ein Rückgang von 2 %, der auf das anspruchsvolle Umfeld im Öl- und Gasmarkt zurückzuführen war. Sulzer konnte seinen Marktanteil jedoch aufrechterhalten oder sogar ausbauen. Unser Umsatz ging ebenfalls um 2 % auf CHF 2,9 Milliarden zurück. Die umfassenden Massnahmen im Rahmen des Sulzer Full Potential-Programms (SFP) ermöglichten jedoch weitere Einsparungen in Höhe von CHF 88 Millionen. Dadurch konnten wir einen Grossteil der Preis- und Volumenerosion abfedern, was dazu führte, dass die operative Profitabilität nur um 30 Basispunkte fiel. Darüber hinaus erzielten wir einen starken Free Cash Flow, der über dem letztjährigen Niveau lag. Und dies in einem Markt, in dem die Kunden weniger Geld ausgaben und ihre Zahlungsfristen ausreizten. Insgesamt übertrafen wir unsere Prognosen für alle wichtigen Leistungsindikatoren – und haben so unsere Versprechen eingehalten. Es gibt noch viel zu tun, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung.
PL | Trotz dieser schwierigen Umstände konnten wir einen Wertzuwachs für unsere Aktionäre erzielen. Während der Kern-Nettogewinn pro Aktie sank, haben wir gezeigt, dass wir trotz der widrigen Marktverhältnisse flüssige Mittel generieren können. Der Verwaltungsrat freut sich deshalb, an der Generalversammlung vom 6. April 2017 eine ordentliche Dividende zu beantragen, die mit CHF 3.50 pro Aktie auf Vorjahresniveau liegt.
Der Öl- und Gasmarkt bleibt für alle Marktteilnehmer sehr herausfordernd. Wie sehen Sie die Entwicklung in diesem Markt im vergangenen Jahr?
GPG | Der Öl- und Gasmarkt ist und bleibt anspruchsvoll. Das Preisumfeld verschlechterte sich 2016 weiter und wir gehen nicht davon aus, dass dieser Druck 2017 abnehmen wird. Kunden haben ihre Investitionsprogramme und Betriebskosten zurückgefahren, was zu erheblichen Überkapazitäten in der Branche führte. Dies hat tendenziell zur Folge, dass Unternehmen eine aggressivere Preispolitik verfolgen, während sie auf die Wende im Konjunkturzyklus warten.
Gegen Ende des Jahres beschloss die OPEC, die Ölfördermengen zu reduzieren, und eine Reihe von Nicht-OPEC-Ländern folgte dieser Entscheidung. Vor diesem Hintergrund erholte sich der Ölpreis und stieg auf über 50 US-Dollar – eine gute Entwicklung für unsere Branche. Dennoch bleiben wir zurückhaltend und ändern die Ausrichtung unseres SFP-Programms nicht. Aktuell übersteigt die Fördermenge immer noch die Nachfrage. Wir haben auch noch keine Auswirkungen auf unsere Geschäftstätigkeit festgestellt. Der von uns erwartete wirtschaftliche Umschwung ist nicht nur eine Frage der absoluten Ölpreise. Er hängt auch vom Vertrauen der Ölunternehmen in die Nachhaltigkeit der Markterholung ab.
Wann erwarten Sie eine wirtschaftliche Erholung des Öl- und Gasmarkts?
PL | Als Zulieferer für die Öl- und Gasbranche befinden wir uns eher am Ende der Wertschöpfungskette. Sobald international oder nationale Ölunternehmen wieder beginnen zu investieren, schlägt sich dieser Trend für gewöhnlich sechs bis acht Monate später in Bestellungen für Sulzer nieder. Wie viele andere Marktteilnehmer gehen auch wir davon aus, dass Angebot und Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2017 wieder ins Gleichgewicht kommen werden. Das heisst, dass Sulzer wahrscheinlich 2018 von der wirtschaftlichen Erholung profitieren wird.
Wie erging es Sulzer 2016 in den anderen Märkten?
GPG | Was den Bestellungseingang 2016 betrifft, legten wir in den meisten unserer anderen Märkte, einschliesslich Energie und Wasser, zu. Die allgemeine Industrie, die alle übrigen Bereiche umfasst, entwickelte sich ebenfalls erfreulich und wurde teilweise von den von uns getätigten Akquisitionen vorangetrieben. Im Öl- und Gasmarkt haben wir zurzeit zu kämpfen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass sich die andere Hälfte unseres Geschäfts gut entwickelt.
Wie geht es mit dem Sulzer Full Potential-Programm (SFP) voran? Was haben Sie 2016 erreicht?
GPG | Ziel unseres SFP-Programms ist, Kosteneinsparungen von CHF 200 Millionen zu erzielen, die ab 2018 vollständig zum Tragen kommen. Über 90 % dieser Einsparungen sind heute schon durch bereits eingeleitete Massnahmen gesichert. Alle signifikanten Restrukturierungsmassnahmen haben wir im Jahr 2016 angekündigt. 2016 sparten wir CHF 88 Millionen. Für das Jahr 2017 erwarten wir weitere Einsparungen in Höhe von CHF 40 Millionen bis CHF 60 Millionen. Das SFP-Programm ist also auf Kurs. Wir sind dem Zeitplan voraus und werden die versprochenen Ergebnisse erzielen.
PL | Wir waren eines der ersten Unternehmen, die Kosten eliminierten und das Produktionsnetzwerk optimierten. Wir setzen eines der umfassendsten Transformationsprogramme der Branche um und erzielen damit Ergebnisse. Dies macht Sulzer effizienter, agiler und wettbewerbsfähiger. Sobald sich die Nachfrage wieder erholt, wird sich dies auf unseren Gewinn auswirken.
Sulzer hat 2016 fünf Unternehmen erworben.
GPG | Ja, wir haben gesagt, dass wir kleine und mittlere Akquisitionen zum richtigen Preis ins Auge fassen, und wir haben es geschafft, diesen Plan umzusetzen. Wir haben die Grösse unseres Applikatorgeschäfts mehr als verdoppelt, weshalb wir es aus Chemtech ausgegliedert haben und nun als eigenständige Division führen. Im April übernahmen wir PC Cox, einen führenden Hersteller von industriellen Dispensern. Anschliessend schlossen wir im August die Akquisition von Geka ab. Dadurch stiessen wir mit unserem Applikatorgeschäft in einen neuen Bereich – Schönheitspflege – vor und setzten darin neue industrielle Massstäbe. Seit dem 1. Januar 2017 sind diese Unternehmen Teil unserer neuen Division Applicator Systems, eines führenden Anbieters von urheberrechtlich geschützten Mischsystemen und Applikatoren im B2B-Bereich.
Wir konnten auch unser Pumpengeschäft ausbauen. Im Dezember unterzeichneten wir eine Vereinbarung für die Übernahme des Pumpenherstellers Ensival Moret. Mit dieser Akquisition konnten wir bestimmte Lücken in unserem Pumpensortiment in Bezug auf Axial- und Feststoffpumpen schliessen. Dies erhöht den Einzugsbereich unseres Pumpengeschäfts in der allgemeinen Industrie. Darüber hinaus erweiterten wir unser Serviceangebot für Turbomaschinen, indem wir das Gasturbinenservicegeschäft von Rotec in Russland übernahmen. Diese Akquisition macht uns zu einem führenden Anbieter in einem vielversprechenden Markt, in dem Lokalisierung ein Muss ist. Zuletzt akquirierten wir noch eine Produktreihe von Wärtsilä, um unser Trenngeschäft im Upstream-Segment von Chemtech zu stärken.
Welche Strategie verfolgen Sie in Bezug auf Fusionen und Akquisitionen?
PL | Wir schauen uns Unternehmen an, die Lücken in unserem Produktportfolio schliessen und unsere Präsenz in bestimmten Regionen oder Segmenten stärken. Wir konzentrieren uns auf kleine und mittelgrosse Unternehmen, die wir schnell in unser Unternehmen integrieren können und bei denen eins plus eins mehr als zwei ergibt.
GPG | Wir haben einige Fusions- und Akquisitionsprojekte in Aussicht, aber uns geht es immer um den Wert. Ich glaube, unsere jüngste Erfolgsbilanz beim Abschluss von Transaktionen zeugt davon, dass wir eine Chance zu nutzen wissen, wenn wir das richtige Unternehmen zum richtigen Preis bekommen können. Wir wissen jedoch auch, wann wir den Verhandlungstisch verlassen müssen.
Wie wird sich die Wettbewerbslandschaft Ihrer Meinung nach weiterentwickeln und was bedeutet dies für Sulzer?
PL | Die Flow-Control-Branche weist alle Anzeichen einer Konsolidierung auf. Dies ist immer eine Option, beispielsweise im Rahmen eines industriellen Zusammenschlusses, der erheblichen Mehrwert schafft. Unser Hauptfokus liegt allerdings auf unserer Transformation. Das SFP-Programm wird unseren Aktionären auch weiterhin die grösste Wertschöpfung bringen. Wir haben unterstützende, langfristig denkende Aktionäre und wir konzentrieren uns auf das, was wir steuern können.
Peter Löscher, Verwaltungsratspräsident
Zum Vergrößern anklicken „Wir möchten mit unseren Produkten und Lösungen immer das gewisse Extra bieten. Vor allem wollen wir ein zuverlässiger, schneller und vertrauenswürdiger Partner für unsere Kunden sein.“
Sie sagten, dass Innovation eine wichtige Komponente der Marke Sulzer ist. Wie stellen Sie sicher, dass Innovation während Sulzers Transformation eine Priorität bleibt?
GPG | Mit der Einführung zahlreicher neuer Produkte im Jahr 2016 haben wir bewiesen, dass Innovation fest in unserer Strategie und Kultur verankert ist und es auch bleiben wird. Es stimmt, dass in einer Transformation Prioritäten gesetzt werden müssen. Wir sind jedoch keine Kompromisse bei der Innovation eingegangen. Dies kommt auch in den Sulzer Innovation Awards zum Ausdruck, die wir vor kurzem ins Leben gerufen haben. Einmal pro Jahr werden wir bei Sulzer herausragende Innovationen und ihre Erfinder auszeichnen. Unser Unternehmen strotzt vor Talent und Kreativität; es ist eine Inspiration für uns alle.
Im Jahr 2016 hat es viele personelle Änderungen im Top-Management gegeben. Warum?
GPG | Zunächst einmal gibt es hier eine marktbezogene Dimension. Vier unserer fünf stärksten Konkurrenten in der Pumpenbranche kündigten 2016 einen CEO-Wechsel an. Die Marktbedingungen ändern sich und Unternehmen passen ihr Führungsteam an, um ihnen gerecht zu werden – ähnlich wie im Sport. In unserem Fall ging ein Divisionsleiter in den Ruhestand und ein anderer liess sich aus familiären Gründen für längere Zeit beurlauben. Auch unsere leitende Human-Resources-Position war schon seit sechs Monaten nicht mehr besetzt. Ausserdem fehlte uns ein Chief Commercial and Marketing Officer. Im anspruchsvollen Geschäftsumfeld, in dem Sulzer lernen musste, besser als Team zu arbeiten, war das zweifellos eine Schwäche. All dies spitzte sich gleichzeitig zu. Es bot uns aber die Möglichkeit, nicht nur das Team zu stärken, sondern auch unseren Talentpool zu diversifizieren. Wir glauben, dass wir jetzt über ein stabiles, dynamisches Managementteam verfügen, das Sulzer auf die nächste Stufe heben wird.
PL | Der Verwaltungsrat freut sich sehr, zwei neue Mitglieder begrüssen zu dürfen: Axel C. Heitmann und Mikhail Lifshitz. Beide haben als Verwaltungsratsmitglieder und Leiter internationaler Unternehmen umfassende Erfahrungen gesammelt. Sie traten in die grossen Fussstapfen von Klaus Sturany, der sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt hat. Der Verwaltungsrat ist davon überzeugt, dass Sulzer mit Greg und seinem Team die richtige Führung hat.
Was erwarten Sie für das Jahr 2017 in Bezug auf die finanziellen Ergebnisse?
GPG | 2017 ist ein Übergangsjahr. Wir werden in diesem Jahr unsere Kostensenkungsmassnahmen abschliessen – noch vor der Markterholung, die wir für das Jahr 2018 erwarten. Deshalb gehen wir von einem herausfordernden Jahr aus, in dem wir hart daran arbeiten werden, das Umsatzvolumen aufrechtzuerhalten und unsere Profitabilität zu schützen, während wir unsere Transformation abschliessen. Es dreht sich jedoch alles um die Umsetzung. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Sulzer die Umsetzung erfolgreich bewältigen kann und wird.
Herr Löscher, welche Vision haben Sie für Sulzer?
PL | Sulzer wird ein Arbeitgeber erster Wahl für die besten Talente und ein bevorzugter Partner für unsere Kunden sein. Wir bauen eine agile Organisation auf, die sich schnell an die sich wandelnden Marktbedingungen anpassen kann. Und wir werden profitabel wachsen. Ich bin davon überzeugt, dass Sulzers starke Marke, seine engagierten Mitarbeitenden und seine herausragenden Produkte und Lösungen die wichtigsten Faktoren sind, um diese anspruchsvollen Zeiten bewältigen zu können. Wir sind auf gutem Weg, unsere Ziele umzusetzen, und werden dies weiterhin mit all unserer Energie tun.